Details und Erläuterungen

Vermessung und Bau der ägyptischen Pyramiden - von Eckart Unterberger

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Der Bau der Cheopspyramide: Stiege und Strickleitern

Ein nicht unbedeutendes Problem habe ich bisher nicht besprochen. Wenn die Pyramiden nach der vorgeschlagenen Methode gebaut wurden, so waren die Flanken glatt, sie mussten es sein. Wie aber kamen dann die Arbeiter zu ihrem Arbeitsplatz? Außerdem können wir annehmen, dass ein nicht kleiner Teil des Baumaterials wie Sand und Mörtel nicht hinaufgezogen, sondern, wie heute noch üblich, auf den Schultern hinaufgetragen wurde. Die 52° steile Flanke ist aber unmöglich ohne Hilfsmittel zu erklimmen. Es musste daher in irgendeiner Form eine Stiege gegeben haben.


Damit sich eine große Zahl von Menschen die Pyramide hinauf- und auch hinunter bewegen kann, sind vier solcher Aufstiege notwendig, einer an jeder Seite. Diese Aufstiege mussten in der Mitte der Flanke sein, weil sie ja später bis zur Spitze führen sollten. An der Nordseite stand man vor einem Problem. Dort befand sich der Eingang zum Inneren der Pyramide. Wurde dieser bei der Stufenpyramide von Meidum noch genau in der Mitte der Nordseite angelegt, so ist er bei fast allen folgenden Pyramiden seitlich der Mitte zu finden. Auf das Ebenmaß an Symmetrie und geometrischer Perfektion, das die Pyramiden sonst sind, wird gerade beim Eingang verzichtet. Dafür musste es gewichtige Gründe gegeben haben.


Die Pyramide von Meidum war als Stufenpyramide geplant und wurde zunächst auch als solche gebaut. Bereits bei der Knickpyramide aber wurde die neue Technologie, die des Transportes über die Pyramidenflanken, eingesetzt und man stand vor dem Problem, dass sich der Eingang auf gleicher Linie mit dem Aufstieg befand. Da sich aber der Aufstieg schlecht woanders positionieren ließ, rückte man mit dem Eingang nach Osten. Lediglich bei der Pyramide des Mykerinos befindet sich der Eingang in der Mitte der Pyramidenflanke, aber dort kam eine andere Methode zum Einsatz, auf die ich noch zu sprechen komme.


Es stellt sich die Frage, aus welchem Material dieser Aufstieg gebaut war. Untersuchen wir das vorerst nur an der Cheopspyramide. Wie wir bereits wissen, sind die Seitenflächen der Cheopspyramide deutlich konkav, also ‚eingedellt‘. Dies war für die Vermessung der Pyramide notwendig. Bei verschiedenen Luftaufnahmen und in der Nacht bei künstlicher Beleuchtung zeigt sich aber noch eine Unregelmäßigkeit: Genau in der Mitte aller vier Flanken verläuft eine Vertiefung. An dieser Stelle sind größere Verkleidungssteine gesetzt worden, die tiefer in den Pyramidenkern hineinreichen.


Ich gehe davon aus, dass hier ursprünglich eine Stiege vorhanden war, denn nur so ist die Verwendung von größeren Verkleidungssteinen sinnvoll. Die einzelnen Stufen müssen bei Beendigung des Bauwerks zurückgebaut, also abgeschlagen werden. Bei größeren Steinblöcken ist die Gefahr eines Brechens während dieses Vorgangs natürlich geringer als bei kürzeren, die weniger weit in das Innere ragen.


Diese Aufgänge hatten jedoch nicht eine rein technische Funktion. In den Pyramidentexten ist mehrmals von ‚Himmelsleitern‘ die Rede, die dem Pharao gebaut werden, um in den Himmel zu steigen.


Eines lässt sich mit Sicherheit sagen: Wenn die Ägypter die Pyramiden in der hier dargelegten Art und Weise gebaut haben, und alles deutet darauf hin, so war es unabdingbar, auch einen Aufgang auf die Pyramidenplattform zu bauen. In welcher Form dies geschah, ist dann von Pyramide zu Pyramide unterschiedlich. Ich nehme an, dass bei der Cheopspyramide, die in ihrer gesamten Ausführung die mit Abstand aufwändigste aller Pyramiden ist, dies in Form einer steinernen Stiege geschah. Diese Stiegen wurden zum Teil schon gegen Ende der Bauarbeiten entfernt, indem sie von den Steinmetzen eingeebnet wurden. Eine Stiege, vermutlich jene an der Ostseite, wurde bis zum Begräbnisritual des Pharao stehen gelassen. Dies erklärt auch die späteren Hinweise in den Pyramidentexten. Eine vollkommen glatte Oberfläche kann beim besten Willen nicht als Stiege, als Himmelsleiter interpretiert werden. Erst nach dem Begräbnis des Pharao wurde dann auch diese letzte Stiege entfernt.


In den früher und später gebauten Pyramiden wurde diese sehr aufwändige Form der Himmelsleiter aufgegeben, nichts deutet auf den Einbau größerer Verkleidungssteine hin. Bei diesen Pyramiden ist die Verwendung von Strickleitern zum Erreichen der Pyramidenplattform wahrscheinlicher.

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