Der Tischler nimmt zwei Bretter und klemmt sie mit ihren Unterseitem aneinander, die beiden zusammengehörigen Seitenflächen weisen dann nach oben. Diese werden gleichzeitig mit dem Hobel bearbeitet. Dabei ist es irrelevant, ob der Hobel genau im rechten Winkel geführt wird, da sich die Winkel der Seitenflächen, weil supplementär, beim späteren Zusammenfügen präzise ergänzen. Lediglich die Hobelklinge muss gerade sein.
Ich übertrage diesen Trick auf die Verkleidungssteine. Zunächst werden die rohen Steinblöcke nebeneinander aufgereiht. Dies und die weitere Bearbeitung kann direkt am Fuß der Pyramide geschehen oder auch auf einem dafür geeigneten Gelände in der Nähe der Pyramiden.
Die unbearbeiteten Steine werden bereits so gereiht, dass sie in etwa zusammenpassen. Dann werden der erste und der zweite Block zusammengeschoben, ebenso der dritte und vierte, der fünfte und sechste usw.
Jetzt werden die Blöcke um 90° gedreht, sie werden so aufgestellt, dass ihre Unterseiten zueinander schauen. Die Unterseiten werden behauen, bis sie plan sind. Zur Messung benutzten die Ägypter einfach eine gespannte Schnur. Dieser Arbeitsgang ist auch auf den verschiedenen Abbildungen in späteren Gräbern genau so zu sehen. Die Schnur wird über den Stein gezogen, wobei sich leicht feststellen lässt, ob die Fläche noch Dellen oder Erhebungen aufweist. Gemessen wird über Kreuz, also in beide Richtungen. Am Ende des Arbeitsganges ist die Fläche plan. Dies wird bei allen der insgesamt fast 1000 Verkleidungssteinen einer Lage gleichzeitig durchgeführt. Ebenso wird bis dorthin, wo der Stein später abgeschrägt wird, Material weggenommen. Die Steine liegen jetzt in einer Reihe mit der Unterseite zueinander am Boden.
Im nächsten Arbeitsschritt werden die Steine mit ihren Unterseiten zusammengefügt und so eingerichtet, dass die nun oben liegenden Seitenflächen annähernd parallel sind und auf einer Ebene liegen. Jetzt werden die beiden oben liegenden Flächen des Steinpaares gemeinsam in gleicher Weise bearbeitet wie zuvor die Unterseite. Es sind jene Flächen, die später zueinander schauen. Bildet die Fläche beider Steine eine Ebene, werden sie, egal welchen Winkel sie zur Unterseite haben, genau aufeinanderpassen. Nach diesem Schritt werden die Steine um 90° gedreht und wieder in ihre Ausgangslage gebracht.
Die bereits zueinander passenden Steinpaare werden entlang einer Linie zusammengeschoben. An der Vorder- und Rückseite werden Markierungen angebracht, die jeweils den gleichen Abstand haben. Dies geschieht, damit die Steine später nicht nur zusammenpassen, sondern auch entlang einer geraden Linie zu liegen kommen.
Im nächsten Schritt werden die Steine wieder gedreht, nur in die andere Richtung als zuvor, sodass jetzt der zweite und dritte, der vierte und fünfte usw. Stein mit ihren Unterseiten zueinander liegen. Die Steine werden dann so eingerichtet, dass die Markierungen übereinstimmen und die beiden oben liegenden Seiten werden gemeinsam in der üblichen Weise bis zur Markierung hinab geebnet. Abschließend werden die Steine wieder zurückgedreht und probehalber zusammengeschoben.
Jetzt wird die Rückseite bearbeitet. Sie soll später zu den backing stones passen. Dieses Einpassen der Verkleidungssteine an die backing stones war insgesamt der schwierigste Arbeitsgang. Hier wurden auch mehrere Verfahren erprobt, auf die ich in meinem Buch eingehe. Am Fuße der Cheopspyramide in den ersten Lagen wurde ein sehr aufwändiges Verfahren gewählt, das in weiterer Folge dann auch aufgegeben wurde: Die Verkleidungssteine wurden mit den backing stones regelrecht verzahnt. Die Rückseite der Verkleidungssteine lag nicht etwa in einer Flucht, sondern die Steine schauten nach hinten unterschiedlich weit vor. Es lagen zwar oft zwei oder mehrere Steine in einer Flucht, die Rückseite bot aber eine Art Sägezahnmuster. Dieses wurde auf die backing stones übertragen.
Dazu wurden die Steine auf der Pyramide gegenüber den bereits liegenden backing stones platziert und das Muster der Verkleidungssteine auf die backing stones übertragen. Dann wurden die Verkleidungssteine in ihre endgültige Position gebracht.
Es bleibt noch der letzte Stein. Ihn und seinen ‚Partner‘, den vorletzten, bearbeitete man erst zum Schluss. Als die Verkleidungssteine in einer Reihe aneinander lagen, konnte die Länge gemessen werden, welche die Verkleidungssteine insgesamt einnehmen werden. Diese wurde mit der zu verlegenden Länge verglichen. Erst dann wurde die Breite der letzten zwei Steine bestimmt. Das gewährleistete, dass der letzte Stein so breit ist, dass er vollständig unter dem letzten Stein der nächstoberen Schicht zu liegen kommt.